KI / Marketing / Kreativität
KI ist mehr als ein Tool, sie wird Kommunikation an sich verändern – davon ist Gregor Schmalzried (Host des KI-Podcasts der ARD) überzeugt. Welche Insights er brandarena als KI-Berater dazu liefert, haben wir einmal für Sie im Interview zusammengefasst.
Gregor Schmalzried, ist sich sicher, wie wir KI am besten für uns nutzen: Auf jede Art und Weise, die uns einfällt. Denn jetzt ist die Zeit, zu experimentieren, Ideen zu entwickeln, etwas aufzubauen. KI wird das neue Massenmedium werden, ähnlich wie Social Media. Und genau wie damals gilt: Wer jetzt einsteigt, kann morgen profitieren.

Wenn du Leiter im Marketing, der Öffentlichkeitsarbeit oder in einer öffentlichen Institution wärst, was würdest du in puncto KI als Erstes umsetzen?
Sicherstellen, dass innovative Ideen nicht versickern. Denn die müssen nicht nur von außen eingekauft werden, sondern kommen aus der Belegschaft. Leider bekommen Menschen hier aber oft keinen Raum, um ihre großartigen Ideen umzusetzen. Im Gegenteil: Harte interne Regeln sorgen häufig dafür, dass intelligente KI-Nutzung eher bestraft als belohnt wird. Das umzudrehen, ist der wichtigste Schritt – alles andere kann später kommen.
Wo siehst du die größten KI-Potenziale im Marketing?
In agentischen Systemen – also KI-Modellen, die nicht nur Antworten geben, sondern auch im Netz oder in Datenbanken agieren können – werden noch nicht breit automatisiert eingesetzt. Das ist auch sinnvoll: KI-Agenten sind oft fehleranfällig, ein Sicherheitsrisiko und arbeiten in fremden Umgebungen wenig robust. Trotzdem sind sie jetzt schon sehr gut. Wir erleben gerade live mit, wie das Internet umgebaut wird – und die Tools, die wir heute nutzen, erwachsen werden.
Welche Tipps würdest du Berufseinsteigenden im Marketing für den Umgang mit KI mitgeben?
Habt keine Angst, euer eigenes Ding zu machen. KI ist für das Analysieren und Erstellen von Inhalten eine ähnliche Revolution, wie es das Social Web für das Verbreiten der Inhalte war. Damals sind viele Leute richtig erfolgreich geworden, weil sie sich zur richtigen Zeit mit diesem neuen Medium beschäftigt haben und es ganz natürlich verstehen und benutzen konnten. Wer heute „AI Native“ ist, hat der restlichen Branche automatisch ein paar Jahre voraus. Das sollte man ausspielen – und möglichst viel ausprobieren.
Was verändert KI gerade leise im Alltag – was wir in der Kommunikation noch kaum wahrnehmen?
Die meisten verstehen generative KI als neues Tool oder als neue Plattform. Hier entsteht aber noch mehr: ein neues Massenmedium. Synthetische Gespräche werden normal, eigens erstellte Coaches, Freundinnen und Praktikanten übernehmen immer mehr Kommunikation, die früher an „klassische“ digitale Medien gegangen wäre. Diese Persönlichkeiten sind so hochindividuell, dass es sich eher wenig lohnt, eigene KI-Personalities aufzubauen. Spannender ist: Wie verhalten sich diese individuellen KI-Persönlichkeiten eigentlich? Und was macht das mit den Nutzenden?
Wie beeinflusst KI unser Verständnis von Authentizität bei Medien und Marken?
Hier wird sich die Menschheit spalten: Für manche werden synthetische Stimmen bald vertrauenswürdiger sein als echte – das passiert jetzt schon. Für andere (und ich hoffe, dass es die Mehrheit ist) wird der Absender wichtiger als je zuvor. Es ist heute schon quasi unmöglich, ein KI-generiertes Video von einem echten zu unterscheiden – das Einzige, was auf Social Media Sicherheit gibt, ist das Logo unten in der Ecke. Wenn Vertrauen Mangelware ist, wird Vertrauenswürdigkeit wertvoll.
Welche KI-Experimente lohnen sich für Kreative heute – und welche lieber nicht?
Mir wird zu viel über das Erstellen von Inhalten mit KI geredet und zu wenig über das Verarbeiten von Inhalten mit KI. Noch nie zuvor konnten wir Datensätze und lange Texte so gut nach spannenden Nuggets durchforsten oder Ideen und Informationen zuordnen. Wer ein eigenes Archiv aus Ideen und Texten hat, lebt dank LLMs (Large Language Models) im Paradies. Und wer keins hat, kann jetzt eins aufbauen.
Wofür können wir KI nicht gebrauchen und sollten darauf verzichten?
KI als Verkaufsargument zieht nicht mehr – zumindest nicht für Endverbrauchende. In den USA beobachtet man häufig „Fenno’s Paradox“: Das Phänomen, dass Menschen grundsätzlich mit dem Kongress unzufrieden sind, mit ihrem eigenen Kongressabgeordneten aber zufrieden. So etwas ähnliches scheint mir auch bei KI zu entstehen. Leute nutzen gerne ihre eigenen Chatbots und Tools, an die sie sich gewöhnt haben – aber alles von außen ist so hype-durchtränkt, dass sie nur Enttäuschung erwarten. Schon jetzt zeigen Untersuchungen, dass das Wort „KI“ bei Verbrauchern unbeliebter wird. Gleichzeitig nutzen ChatGPT bald eine Milliarde Menschen die Woche. Wilde Zeiten.
