Künstliche Intelligenz (KI) und besonders ChatGPT ist in aller Munde und auf aller Computer. Das Programm erstellt Texte und beantwortet Fragen wie ein Mensch. Ein unendlich kluger Mensch. Denn mit jedem Chat lernt es dazu. Und es wurde mit einem großen Netzwerk von Computeralgorithmen trainiert, die auf menschlichen Texten und Werken basieren. Da kommt dann das Urheberrecht ins Spiel: Was darf ChatGPT verwenden? Und wie darf die Antwort weiterverwendet werden?
KI macht Computer so intelligent, dass sie Aufgaben lösen können, die menschliches Wissen und Urteilsvermögen brauchen. Das kennen wir bereits aus Bereichen wie dem autonomen Fahren, Spracherkennung oder Robotik. Zuletzt hat der Chatbot ChatGPT große Wellen geschlagen: Seit letztem Herbst ist er richtig bekannt und wird auch zu beruflichen Zwecken in der Kommunikationsbranche immer häufiger benutzt. Brandarena befragt ihn z.B. zur Recherche, erstem Textinput oder zur Ideenfindung.
Für seine Antworten nutzt ChatGPT dabei unzählige Textquellen, die alle irgendwann von Menschen verfasst wurden. Und das führt zur Frage: Was ist mit dem Urheberrecht? Das der ursprünglichen Verfasser und das der Antworten von ChatGPT.
Verbieten, zulassen, kontrollieren?
Wie man mit dieser Frage umgeht, dafür gibt es noch keine allgemeingültige Lösung. In Italien wurde der Firma OpenAI (die Entwickler von ChatGPT) Ende März untersagt, persönliche Daten von italienischen Bürger:innen zu verarbeiten. OpenAI reagierte darauf und hat ChatGPT vorübergehend in Italien gesperrt.
Auch in Deutschland haben die deutschen Landesdatenschutzbehörden Verwaltungsverfahren gegen die Entwicklerfirma Open AI eingeleitet. Wie das ausgeht, das weiß noch nicht einmal ChatGPT.
Deshalb hat brandarena Dr. Hermann Waldhauser dazu befragt. Als Rechtsanwalt berät er in den Bereichen Informationstechnologie, gewerbliche Schutzrechte und Urheberrecht sowie Medien. Das Handelsblatt hat ihn in 2022 zum Anwalt des Jahres im Technologierecht gekürt. Damit ist er der Experte für Urheberrecht und ChatGPT.
Was sagt der Experte?
brandarena:
Herr Dr. Waldhauser, die Kommunikationsbranche nutzt ChatGPT in vielen Bereichen. Welche rechtlichen Herausforderungen sehen Sie generell dabei in Bezug auf das Urheberrecht?
Dr. Hermann Waldhauser:
Aus urheberrechtlicher Sicht müssen sämtliche Schritte der Nutzung von geschützten Werken (Bilder, Texte, Charts etc.) durch Künstliche Intelligenz betrachtet werden. Egal, ob es sich um sprachbasierte Modelle (wie ChatGPT) oder Bildgeneratoren wie DALL-E handelt.
Wenn für das Training von ChatGPT Texte gespeichert und verwendet werden, um Output (also eine Antwort) zu generieren, stellt das meines Erachtens schon eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung durch OpenAI dar. Eine solche Vervielfältigung braucht grundsätzlich die Zustimmung des Rechtsinhabers.
Aus diesem Grund haben Anfang Januar drei Kunstschaffende in Kalifornien Klage gegen KI-Bildgeneratoren und eine Künstlerplattform erhoben. Mitte Januar folgte die Medienplattform Getty Images in London mit einer Klage wegen Urheberrechtsverletzung. Beide werden noch geprüft.
In Deutschland besagt § 44b UrhG, dass es unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt ist, Texte und Daten zu verwenden, um daraus Informationen zu gewinnen (sog. Text und Data Mining). Der Rechtsinhaber kann sich diese Nutzung zwar vorbehalten, der Vorbehalt müsste aber bei online zugänglichen Werken in maschinenlesbarer Form erfolgen.
Ich vermute, dass dies größtenteils nicht der Fall war, als der Testdatensatz 2021 von OpenAI (größtenteils wohl mittels Web Scraping Technologien) generiert wurde. Letztlich werden auch in Deutschland die Gerichte die Grenzen zwischen Urheberrecht und erlaubter KI-Nutzung näher ausgestalten müssen.
brandarena:
Wie ist es für Agenturen, Unternehmen oder öffentlichen Institutionen im Bereich Marketing und Öffentlichkeitsarbeit, die den Chatbot für sich arbeiten lassen?
Dr. Hermann Waldhauser:
Für die Kommunikationsbranche ist wichtiger, ob die Befehlseingaben bzw. der Input (auch Prompt genannt) sowie der Output urheberrechtlich geschützt sind.
Zu ersterem: Der von ChatGPT generierte Output wird immer besser, je präziser die Prompts formuliert sind. Deshalb gibt es z.B. bereits Anbieter:innen, die Prompts für bestimmte Anwendungsgebiete verkaufen.
Prompts (Input) können in Ausnahmefällen urheberrechtlich geschützt sein, wenn sie über eine einfache, alltägliche Befehlseingabe hinausgehen und den Anforderungen an eine persönliche geistige Schöpfung entsprechen. Allerdings wäre es schwer nachweisbar, ob jemand ohne Zustimmung einen solchen Prompt für ChatGPT tatsächlich nutzt.
Zu zweiterem: Der durch ChatGPT generierte Output ist nach aktueller Rechtslage in der Regel nicht geschützt. Denn das deutsche Urheberrecht verlangt, dass das Werk von einem Menschen geschaffen wird – nicht von einer Maschine bzw. einem Algorithmus.
Allerdings kann eine rechtswidrige Bearbeitung von Werken Dritter bestehen, wenn der Output keinen hinreichenden Abstand zu diesen wahrt. Nach meinem Verständnis berechnet GPT primär die Wahrscheinlichkeit, welches Wort auf das Vorherige folgt. Der Output wird daher in der Regel aus dem gesamten Testdatensatz generiert und hat nicht ein bestimmtes Werk als Vorlage verwendet. Bei KI-Bildgeneratoren scheint das Risiko höher. Hier gibt beispielsweise die sog. Out- oder Inpaintings, bei denen sich dann die Folgefrage stellt, ob ein zulässiges “Pastiche” im Sinne der Schranke des § 51a UrhG gegeben ist.
brandarena:
Gibt es noch etwas, was Nutzer:innen beachten müssen, wenn sie ChatGPT benutzen?
Dr. Hermann Waldhauser:
Die Vertragsbeziehung zwischen OpenAI und den Nutzer:innen. In den Nutzungsbedingungen steht, der Input dem/der diesen eingebenden Nutzer:in gehört und OpenAI etwaige Rechte an dem Output diesem(r) überträgt. Auch die kommerzielle Nutzung ist grundsätzlich gestattet. Gleichzeitig beschränkt OpenAI die eigene Haftung und Gewährleistung weitgehend und verpflichtet die Nutzer:innen, OpenAI von Ansprüchen Dritter freizustellen. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass diese Bestimmungen auch gegenüber deutschen Verbrauchern wirksam vereinbart werden können.
Und dann sind da natürlich Datenschutzbestimmungen sowie gesetzliche und vertragliche Geheimhaltungspflichten, die durch die Eingabe von Prompts mit persönlichen oder vertraulichen Daten in ChatGPT verletzt werden könnten.
Bevor Output genutzt wird, ist es zudem ratsam, dessen Richtigkeit zu überprüfen. Die über ChatGPT generierten Antworten können zwar sehr gut und überzeugend formuliert sein, allerdings teils fehlerhafte bis frei erfundene Fakten (sog. „Halluzinationen“) enthalten. Diese können schließlich die Persönlichkeitsrechte Dritter verletzen (z.B. durch unwahre Tatsachenbehauptungen oder sog. Deep Fakes).
Fazit
Die Kommunikationsbranche kann mit ChatGPT chatten soviel sie will – die Chance das Urheberrecht zu verletzen ist gewöhnlich sehr gering. Nur kann auch nichts geschützt werden, was von ChatGPT generiert wird – und deshalb auch wieder von anderen verwendet werden.